Erinnerungen an die Fabrik in Langendorf – Helmut Rist

Helmut Rist

Wer in früheren Jahren an Werktagen durch Langendorf ging, begegnete unweigerlich Fuhrwerken, die Holz zur Fabrik brachten. Diese Fuhrwerke gehörten zum Bild des Dorfes, charakterisierten sie doch die Bedeutung der Industrie für unser Dorf.

Für die Entwicklung der Industrie im Bieletal war der Waldreichtum des Altvatergebirges als Rohstofflieferant eine wichtige Voraussetzung. Von der Papierfabrik von Glogner & Methner an der Waldhofstraße angefangen bis hinunter nach Rothfest, nicht zu vergessen die Lederpappenfabrik von Filke & Singer in Langendorf, wurde Fichtenholz aus dem Altvatergebirge verarbeitet.

Die Fichten wurden in Monokulturen aufgeforstet und vielfach in Kahlschlägen abgeerntet um wieder Platz für Neuanpflanzungen zu schaffen. Die geschlagenen Stämme wurden geschält und in Meterstücken abgelängt längs der Abfuhrwege in langen Stapeln aufgeschichtet. Der Transport erfolgte mit Pferdefuhrwerken. Es waren stabile, hochgebaute Leiterwagen, die meistens einspännig mit einem kräftigen Kaltblüter gefahren wurden. Die kunstvoll hoch aufgetürmte Ladung wurde durch Ketten gesichert. Auf der Deichselschere hatten die Kutscher einen Sack mit Heu oder Grünfutter liegen. Das ergab einen bequemen Sitz. Und das Pferd, das während der stundenlangen Fahrt die Hauptarbeit zu leisten hatte konnte während des Abladens fressen.

Täglich konnte man diese Fuhrwerke, oftmals in langen Kolonnen, von Niklasdorf durch Ziegenhals und Langendorf bis Rothfest fahren sehen.

Vor dem Haupteingang des Klosters in Langendorf, wo es zum Viehweg hinaus geht, führte eine aus Beton gegossene breite Brücke über den Angergraben und eine ebensolche über den Mühlgraben. Diesen Weg nahmen etliche der Holzwagen, denn er führte zum Holzlagerplatz der Pappfabrik auf dem sich lange Stapel der angelieferten Hölzer türmten. Dann bekam das Pferd einen Sack mit Hafer vor das Maul gehängt, damit es fressen konnte. Und das Holz wurde abgeladen und gleich gestapelt. Auf dem Rückweg saß der Kutscher zwischen den Leitern und ließ die Beine seitlich baumeln, dabei rauchte er sein Pfeifchen. Das Pferd kannte den Weg nach Hause von selbst und brauchte nicht angetrieben zu werden.

Für die Herstellung der Pappe mußte das Holz erst gehächselt und zu Pappmache gekocht werden. Dann wurden noch Zusätze wie Leim o.ä. beigemischt. Die zähflüssige Masse lief über große geheizte Walzen und wurde zu Pappen verschiedener Dicke gewalzt und gepreßt. die herauskommenden Pappen wurden dann in einem mit Warmluft beheizten Trockenraum aufgehängt und getrocknet, schließlich auf Maß geschnitten und in großen Paketen für den Versand bereitgestellt bzw. gelagert. Ein Teil wurde durch Vorstanzen der Falze für die Verwendung als Kartons vorbereitet, oder sogar geheftet und als fertige Kartons versandt. Zur Fabrik gehörten zwei schöne kräftige Braune, die der Rieger-Kutscher versorgte. Gleich neben dem Hauptgebäude der Fabrik war der Stall für die Pferde und daneben eine Remise für die Feuerspritze. Die für den Bahnversand bestimmten Pappen brachte der Rieger-Kutscher mit seinem großen Kastenwagen zum Güterbahnhof Ziegenhals. Auf der Rückfahrt den Berg hinunter nahm er Koks für den vielfachen Energiebedarf der Fabrik mit. Oft standen riesige Lastkraftwagen vor der Fabrik, die die Pappe bis ins Ruhrgebiet und an den Rhein brachten. Am meisten konnten die großen Sattelschlepper laden. Hulter der Fahrerkabine hatten sie eine Schlafkoje für den zweiten Fahrer.

Die Fabrik und die Langendorfer Feuerwehr waren in mancherlei Hinsicht aufeinander angewiesen. Einmal konnte die Fabrik Mittel für die Unterhaltung, Anschaffung und Erneuerung von Gerät zur Verfügung stellen, zum anderen war sie im Brandfalle wegen der leichten Brennbarkeit der Pappen auf schnelle Hilfe angewiesen, und darum an einer gut ausgebildeten und zuverlässigen Feuerwehr interessiert. Die Spritze wurde im Ernstfalle natürlich vom Rieger-Kutscher gefahren. Was Wunder, daß sich der Fabrikdirektor, Herr Joseph Filke, zugleich als Feuerwehrhauptmann engagierte. Zu Paraden und Aufmärschen trug er seinen ledernen Artilleriehelm aus dem 1. Weltkrieg mit der Kugel obenauf und einen Säbel. Die Feuerwehrleute hatten zu ihrer dunkelblauen Uniform mit silbernen Knöpfen den damals üblichen Lederhelm, Der Fabrik gegenüber an der Straße stand das Gasthaus von Blaschke, das Versammlungslokal der Feuerwehr.

In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre brannte die Pappfabrik einmal ab. Ich erinnere mich, daß wir von unserem Haus aus in der Nacht die Flammen hochschlagen sahen. Es war ein gewaltiges Rauschen zu hören. Die Feuerwehrleute kämpften einen aussichtslosen Kampf gegen die Glut, trotz der Verstärkung , die sie aus den Nachbarorten bekamen. Das Haus mit dem Comptoir und der Werkmeisterswohnung konnte gerettet werden. Alles andere wurde ein Raub der Flammen.

Das Abräumen der Brandstelle und der Wiederaufbau gingen zügig voran. Es standen ja genügend Hilfskräfte zur Verfügung. Es entstand eine neue, große und helle Halle, in der die Produktionsmittel unter einem einzigen, großen Dach untergebracht waren. Alles war zweckmäßig und praktisch eingerichtet. Bald kamen wieder die großen Sattelschlepper aus dem Rheinland. Die Beladung erfolgte über schwenkbare Rutschen, die vom Lager direkt bis auf die Ladefläche führten.

Während des Krieges wurde in der Pappfabrik weiter produziert, auch nach dem Kriege, als die Polen kamen, ging der Betrieb noch einige Zeit weiter. Als das Holz nicht mehr über die Grenze kam, wurde die Fabrik stillgelegt, und die Gebäude verfallen langsam.

 

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